300 Tage. So lange bin ich jetzt schon weg aus Deutschland. Ganz schoen lange. Noch 65 weitere Tage und es ist ein Jahr her, dass ich die Heimat sah, meine Familie und alle meine Freunde.
Reisen ist ein zwiespaeltiges Ding. Es ist eigentich das geilste was man mit seiner Zeit anstellen kann. Man hat die maximale Freiheit alle zu tun, was man moechte und zu sein wo man moechte. Wenn einem was nicht gefaellt, dann geht man eben weiter, bis eben wieder irgendwo die Sonne scheint.
Ich muss zugeben, dass mir dieser Lebensstil doch sehr gefaellt und ich das wohl auch noch sehr sehr lange betrieben koennte. Geld kann man hier und da immer auftreiben, viel braucht man ja sowieso nicht. Jung ist man auch nur einmal und dieses ganze Einfamilien-Haus/Kind/Kombi-Konzept leuchtet mir ja sowieso nicht so recht ein. Und wenn man schon mal unterwegs ist, warum aufhoeren bevor man alles von der Welt gesehen hat und wieder heim gehen?
Naja Familie und Freunde fehlen einem eben dann doch auf Dauer. Die Heimat fehlt. Umschreiben kann man das wohl damit, dass das Gefuehl “Heim zu kommen” fehlt. Das ist eben der Preis der Freiheit. Ja, selbst die ist nicht umsonst. Das tragen wir alle mit uns rum. Jeder einzelne, der sich mit Rucksack oder sonst was in die weite Welt wagt, kennt das. Der eine mehr, der andere weniger.
Wenn ich so nach 300 Tagen zuruck denke, glaube ich dass ich irgendwo im Mittelfeld liege.
Ich komme zwar sehr gut mit mir alleine zurecht, aber dennoch sind mir die Zuhause gebliebenen wichtig und ich denke deswegen oft an euch! 🙂 Aber trotzdem wirft mich das nicht aus der Bahn, oder gibt mir den Drang meine Reise abbrechen zu wollen. Auch hat es mich bisher in keine Depression gestuerzt. Aber gesehen hat man das alles schon. Und doch: Das Gefuehl von Heimweh, kennen wir alle. Gehoert eben dazu.
Man wird auch nicht immun dagegen. Selbst nach 300 Tagen nicht.
Einen Reisenden zu fragen ob er Heimweh habe, ist eigentlich eine beschissene Frage. Erstens waere es ungemein entlarvend, wenn er es in dem Moment wirklich haette, und so will sich keiner aus der Reserve locken lassen, aber meistens hat er in dem Moment in dem er mit jemand aus der Heimat telefoniert gar kein Heimweh. Was auch daran liegt, dass mans ich ja gerade seinen Dosis “Heimat” abholt. Den Kater hat man ja auch erst nachm Saufen. Andererseits bringts einen in Verlegenheit zu sagen, nein man habe kein Heimweh, schliesslich koennte das von dem Daheimgebliebenen so aufgefasst werden, dass die Heimat einem egal ist. Und wer will schon als egoistisches Schwein dastehen?
Besser waere also die Frage danach ob man schon Heimweh gehabt hat. Aus der Sache kommt dann jeder gut raus und naeher an der Wahrheit waere es allemal.
Ich hab momentan kein Heimweh, falls euch das interessiert, aber gehabt habe ich es natuerlich. Wie schon gesagt, nie all zu sehr, dafuer immer wieder in kleinen Schueben, insbesondere wenn man von zuhause irgendwelche tolle Geschichten hoert. Man beklagt sich ja immer, dass es nix neues gaebe und nix passieren wuerde, aber ich kann euch sagen, auch bei euch passiert genug. Man ist sich dessen vielliecht nur nicht so bewusst.
In den letzten 300 Tagen hab ich unteranderem gelernt, wie man seinen Tag bewusster gestaltet und nicht nur so in denselben hineinlebt. Selbst Kleinigkeiten, die einem so normal erscheinen, koennen schon etwas besonderes sein, wenn man es nur zulaesst. So hat man mehr von seiner Zeit. Funktioniert ganz gut muss ich sagen. Ob sich dass natuerlich aufrechterhalten laesst, sobald man im Alltag versinkt, weiss ich noch nicht. Dazu ist meine Arbeit bisher noch ein zu neues Ding, als dass ich da schon massiv Alltag empfinden wuerde.
300 Tage. Warum ich das so genau weiss? Naja ich schreibe seit dem ersten Tag meiner Reise ein Tagebuch. Und bisher kommt jeder Tag darin vor. Auf diese Weise kann man ueberpruefen, was an einem Tag wirklich vorgefallen war und was so passierte. Insbesondere wenn man viele Gedanken hat, kann ein Eintrag ganz schoen lange werden. Falls ihr auf die Veroeffentlichung dieser Werke hofft, koennt ihr uebrigens lange warten :p
Die werden eines Tages aus einer Kiste ausgegraben und im Spiegel veroeffentlicht. Aber da werde ich dann schon lange tot sein.
Eigentlich ist die Zahl 300 im Bezug auf Kalender eine voellig unbedeutende Zahl. Aber weil se so schoen rund isch, dachte ich kann man ihr ja auch mal nen Eintrag widmen. Kann nicht behaupten diese 300 Tage waeren langweilig gewesen. Reisen ist Leben auf Fast Forward und trotzdem langsamer als Alltag, weil man eben mehr Zeit hat. Und Zeit ist doch schliesslich das einzige was man hat, solange man jung ist. Man hat so viel davon, dass mans mit beiden Haenden ausgeben kann. Die ganzen bloeden “Erwachsenen Sachen” wie Geld, Verpflichtungen, Kinder und Haeuser kommen dann schon von selber. Leider ist das nicht umkehrbar. Geld kauft eben keine Zeit.
Also was kann man schlussfolgern nach 300 Tagen? Generell wohl, dass es die beste Entscheidung war hier nach Neuseeland zu gehen, die ich je getroffen hab, wenn man mal von der Rieseneistuete mit Schokosplittern absieht.
Dass es Neuseeland ist, ist dabei nicht einmal so wichtig. Es geht mehr um die Gelgenheit, maximale Freiheit zu leben. Nicht dass man sonst nicht frei gewesen waere, aber es ist eine ganz andere Dimension, von der wir hier reden, aber die Gruende dafuer zu suchen wuerde jetzt zu weit gehen.
Dass ich hier jetzt Arbeit gefunden habe, versetzt mich in die glueckliche Lage, einen tragbaren Kompromiss zwischen dieser Reisefreiheit und Geld verdienen gefunden zu haben. Jedenfalls wenn man es auf einen begrenzten Zeitraum betrachtet. Schliesslich bleibt das ganze nur Mittel zum Zweck um weiterziehen zu koennen. Ob die naechste Reise dann wieder nach Deutschland fuehrt oder in den naechsten Winkel der Welt, vermag man an dieser Stelle noch nicht sagen. Kommt immer darauf an, wo das naechste Segelschiff hingeht.
Denn soviel hab ich mir schon gesagt: Ich verlasse diese Insel nicht mit dem Flugzeug.
Na gut, das waren also 300 Tage. Jetzt geht mir das Geld im Internetcafe aus. Ich mach deswegen jetzt Schluss.
Auf die naechsten 300 Tage! 🙂
Da kommen einem ja fast die Tränen…
Was? Akut kein Heimweh? Egoistisches Schwein!
SCNR